Alzenau. Unterfrankens Liberale akzeptieren weder die Mehrwertsteuererhöhung noch eine Verschärfung der Jugendschutzbestimmungen auf Bundes- oder Landesebene. Zwei Leitanträge des FDP-Bezirksvorstandes zu diesen Themen wurden am Samstag bei einem Bezirksparteitag in Alzenau mit breiter Mehrheit verabschiedet.
Nicht nur die Große Koalition in Berlin, auch die Rolle der CSU im Freistaat und im Bund haben den Freidemokraten nach Ansicht ihres Bezirksvorsitzenden Joachim Spatz eine große Chance beschert. Die FDP sei weithin sichtbar »die einzige liberale Kraft in Deutschland«, die Union hingegen offenbare ihr »wahres Gesicht als schwarz lackierte sozialdemokratische Partei«.
Für regionale Positionen eintreten
Mit ihrer klassischen Botschaft »weniger Staat, mehr Eigenverantwortung« und strikter Opposition gegen weitere Belastungen des Mittelstands könnten die Liberalen den Aufwind nutzen und, insbesondere in Bayern gegen eine schwächelnde CSU, bei Wahlen Punkte machen.
Nicht verstanden habe man in München unter anderem die besondere Lage Unterfrankens und seine wirtschaftlichen wie kulturellen Beziehungen zum Rhein-Main-Wirtschaftsraum, betonte Dr. Helmut Kaltenhauser, Vorsitzender des FDP-Kreisverbands Aschaffenburg: »Entwicklungen wie die Globalisierung kommen hier früher an als vielleicht anderswo in Bayern.« Es stehe der FDP daher gut an, klar für regionale Positionen einzutreten.
Daniel Volk, als Bezirkschef der oberbayerischen Liberalen Parteitagsgast, wies auf landesweite Erfolge wie bei den jüngsten Hochschulwahlen hin und prognostizierte die große Stunde der FDP im bayerischen »Superwahljahr« 2008. Optimistisch blickt den Kommunal- und Landtagswahlen in zwei Jahren auch der Bundestagsabgeordnete Martin Zeil aus München entgegen.
»Bürokratisches Ungetüm«
Mittelfristig dürfe die derzeit drittstärkste politische Kraft in der Republik sogar hoffen, als Alternative zu den »staatsgläubigen Parteien« noch einen Platz gut zu machen, sagte Zeil. Die Berliner Regierung agiere »willkürlich und unsystematisch«, von den durchgreifenden Steuerreformplänen eines Kirchhoff rede niemand mehr. Zum Thema Rente falle den »Politikern des kleinsten gemeinsamen Nenners« nur die Altersgrenze 67 ein, mit dem Gesundheitsfonds drohe »ein neues bürokratisches Ungetüm«.
Familienpolitisch gibt es aus Sicht Zeils Nachholbedarf insbesondere in Bayern, das hinsichtlich der Kleinkinderbetreuung eines der Schlusslichter sei. Der Wirtschaftsminister aus dem Freistaat sei im Bund »alles andere als das ordnungspolitische Gewissen«. Völlig versagt habe die Koalition bei der Föderalismusreform, die unter weitgehender Ausschaltung des Parlaments von den »Männerfreunden Stoiber und Müntefering« ausgeheckt worden sei, außerdem das Ziel einer Entbürokratisierung weit verfehlt habe.
Den Abbau von Gesetzen und Vorschriften, dazu den Verzicht auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer und stattdessen die Umsetzung liberaler Sparvorschläge fordert ein in Alzenau verabschiedeter Leitantrag zur Wirtschaftspolitik. Ebenfalls konsensfähig bei der Unterfranken-FDP: Mehr Beteiligungsrechte für Jugendliche, etwa in Form eines Kommunalwahlrechts ab 16 Jahre, obligatorischer Jugendbeiräte und direkt gewählter Schülersprecher. Eine Absage erteilten die Liberalen der verbindlichen Einführung von Schuluniformen und der Kürzung von Übungsleiterpauschalen für die Vereine.
Eigenständige Kulturpolitik
Weitere Anträge forderten unter anderem eine weitgehende Eigenständigkeit der bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte in der Kulturpolitik und mehr Befugnisse für die Polizei bei der Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes. Nach dem Willen der Liberalen sollen bayerische Polizisten, so wie in den meisten anderen Bundesländern, häusliche Gewalttäter auch ohne Gerichtsbeschluss aus der Wohnung verweisen, die Schlüssel beschlagnahmen und den Kontakt zum Opfer untersagen dürfen. kko