Eren Basar
Würzburg, 18. Oktober 2004

Türkeibeitritt: Der Spätzünder CDU und die Türkei

Leserbrief zur Priviligierten Partnerschaft in der FAZ

Der Spätzünder CDU und die Türkei Das Konzept der von der Union vorgeschlagenen privilegierten Partnerschaft für die Türkei hat im Grundsatz einiges für sich. Sie würde der besonderen Bedeutung der Türkei für Europa gerecht und eröffnete der Türkei die Möglichkeit, ihre Fühler in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht auch ihrem Osten zuzuwenden. Für die Türkei wäre eine solche Partnerschaft am Ende der Beitrittsverhandlungen aufgrund der damit verbundenen stärker verbleibenden Eigenständigkeit vielleicht interessengerechter. Hinter vorgehaltener Hand sagen auch viele Eliten in der Türkei, der Beitritt am Ende der Verhandlungen sei nicht so wichtig. Entscheidend für die Türkei sei vielmehr die Erfüllung der Standards, die ein potentieller Beitritt mit sich brächte. Warum müssen wir Mitglied werden, wenn die Türkei eine rechtsstaatlich gefestigte Demokratie mit einer wachsenden Wirtschaft ist, sagen einige. Ohne EU wäre der Reformprozeß aber nicht in Gang geraten. Das sollte nicht vergessen werden. Das Problem der privilegierten Partnerschaft ist allerdings nicht seine durchaus überlegenswerte Zielrichtung, sondern die Art, wie es geboren wurde. Es war mal wieder die Union, die sich hier erst dann bewegte, als die EU mit dem Beitrittskandidatenstatus und möglichen Verhandlungen Ernst machte. Während sie in Regierungsverantwortung der Türkei immer einen möglichen Beitritt in kaum erreichbarer Ferne zusicherte, zeigte sie damit, daß sie sich der Türkei-Frage eigentlich nicht wirklich annehmen wollte. Hier ? also spätestens 1997 ? wäre es angezeigt gewesen, die Idee einer solchen privilegierten Partnerschaft vorzubringen. Hier hätte die Union unter Helmut Kohl auch die politische Gestaltungsmacht gehabt, dieses durchzusetzen. So scheint dieses Konzept heute nur dazusein, um Schlimmeres zu verhindern. Wer sich besinnt, wird feststellen, daß es eine ähnliche Situation bereits einmal in einer anderen politischen Debatte gab. 1999 entwickelte die Union das Konzept der Einbürgerungszusicherung, um den in Deutschland geborenen Einwandererkindern eine Integrationsperspektive aufzuzeigen. Allerdings hatte die Union eben 16 Jahre ? trotz entgegenstehender Bestrebungen des Juniorpartners FDP ? diese Problematik gar nicht aufnehmen wollen. Die Einbürgerungszusicherung entstand erst auf dem Höhepunkt der Unterschriftenkampagne gegen die von Rot-Grün betriebene doppelte Staatsbürgerschaft. In jedem Fall war die Einbürgerungszusicherung eine denkbare Alternative, der wachsenden Integrationskrise gerecht werden zu können. Nur, und da sind beide Vorgänge identisch, war die Einbürgerungszusicherung nicht aus Überzeugung, sondern erst und lediglich als Reaktion auf die doppelte Staatsbürgerschaft in die Welt gesetzt worden. Letztlich konnte man auch hier den Eindruck gewinnen, dieses Konzept sei nur entstanden, um Schlimmeres zu verhindern. Der privilegierten Partnerschaft kommt aufgrund dieser vergleichbaren Geburt keine Glaubwürdigkeit zu. Sie wird daher das gleiche Schicksal teilen wie die Einbürgerungszusicherung. Über diese redet heute keiner mehr. Eren Basar, Würzburg

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