Rechtsanwälte in Deutschland, heute sind es bereits über 127.000. Der
Konkurrenzdruck auf dem Markt wächst, und längst nicht alle Mitbewerber
sind ihm gewachsen: Im Jahr 2003 gaben fast 14 Prozent der Einzelanwälte
unter 39 Jahren ihre Berufszulassung wieder zurück, schrieb der UniSpiegel
im vergangenen Sommer, und fand heraus: ?Die besten Rechtsanwälte ernten
nicht immer die dicksten Mandate. Was wirklich zählt, ist ein guter Ruf.?
Auch im juristischen Bereich werden Schlüsselqualifikationen neben
fachlicher Kompetenz zu einem immer wichtigeren Einstellungskriterium.
?Die Endverbraucher sind ingesamt kritischer geworden?, weiß auch Eren Basar ?das
gilt auch bei der Suche nach dem richtigen Anwalt?. Der 27jährige
Rechtsreferendar promoviert gerade an der Uni Würzburg, und wird nächstes
Jahr sein zweites Staatsexamen abzulegen. ?Die Menschen haben durch das
Internet die Möglichkeit sich im Vorfeld selbst zu informieren, und
urteilen deshalb mehr nach ganzheitlichen Ansätzen.? Was immer mehr zählt, seien
Dinge wie: Kann der Jurist mir komplexe Zusammenhänge verständlich
vermitteln? Macht er einen vertrauenserweckenden Eindruck? Wirkt er auf
mich zuverlässig? ?Die meisten Menschen?, so Basar, ?können die fachliche
Qualifikation eines Juristen nicht beurteilen und urteilen deshalb aus dem
Bauch heraus. Ein Anwalt kann noch so gut sein ? es hilft nichts, solange sich
der Kunde nicht gut aufgehoben fühlt.?
Sicheres Auftreten vor dem Mandaten
Deshalb seien heute ? neben der bei den Juristen immer noch sehr wichtigen Examensnote, fließendem Englisch oder einem
Doktortitel ? immer mehr auch soft skills, so wie ein sicheres Auftreten und Menschenkenntnis bei Berufseinsteigern
gefragt.
Zwar ist Basar bisher noch nicht voll in den Anwaltsberuf eingestiegen, doch bei den Bewerbungsverfahren, die er
bisher schon durchlaufen habe, habe er oft Konkurrenten erlebt, die nach seiner Einschätzung
zwar fachlich besser waren, aber in Sachen soft skills nicht punkten
konnten. ?Man muss selbstkritisch die eigenen Stärken und Schwächen kennen
und versuchen, das mit denen der Mitarbeiter zu ergänzen.? Wichtig dafür
sei ein Gespür für die Mitmenschen. ?Das ist bis zu einem gewissen Grad
eine Begabung, die aber auch trainiert werden kann ? und in der
Hochschulausbildung wird das zu sehr vernachlässigt.? Dass der Beruf des
Juristen neben den rechtlichen Fachkenntnissen auch solche Fähigkeiten
verlangt, ahnen nicht alle Berufseinsteiger. Hinzu kommen weitere
Herausforderungen wie die Aquise von Mandaten oder die Pflege wertvoller
Kundenkontakte. Ein Jurist ist also auch Unternehmer ? und darauf bereitet
das Studium kaum vor.
Bis an die Belastungsgrenze
Im Studium selbst lerne man vor allem, strukturiert zu denken. ?Es gibt
gewisse Schemata, die einem von Anfang an eingetrichtert werden, vor allem
durch die Gutachten, die man in Klausuren und Hausarbeiten schreiben
muss?, so Basar. ?Mit denen geht man an jeden Fall heran und,
perfektioniert sich so in problemlösungsorientiertem Denken ? diese
Denktechnik bringt einen sicherlich auch persönlich voran, und ist nicht
nur für Juristen nützlich.? Keine Frage: Das Jura-Studium zählt zu den
arbeitsintensivsten Studiengängen. Im Jahr vor dem ersten Staaatsexamen
haben Eren Basar und seine Kommilitonen sieben bis acht Stunden mit Lernen
verbracht ? und zwar pro Tag. Im Nachhinein beurteilt Basar das positiv:
?Es schlaucht zwar, aber der Freistaat will, dass man hier an seine
Leistungsgrenze geht. Am Ende wusste ich, was es heißt, ehrgeizig und
diszipliniert zu arbeiten.? Für eine Promotion hat Basar sich entschieden,
um sich mal mit einem Thema vertieft auseinandersetzen zu können und sich zudem auch mit grundsätzlichen Fragen
auseinander setzen zu können: ?Welche Tendenzen gibt es im Recht ? Welche Ursachen haben diese ? Welche Wirkungen kann
dies im konkreten Leben der Menschen spielen ? Solche für den Beruf grundsätzlichen Fragen kamen mir im
Studium zu kurz.? Einem Studienanfänger rät der Rechtsreferendar, nach ein
paar Semestern Orientierungsphase selbst aktiv zu werden: ?Du musst dir
selbstkritisch überlegen: Was kann ich eigentlich gut, und was will ich
davon perfektionieren? Im Grunde merkt man selbst früh, ob man sich dabei
wohl fühlt vor einer großen Menschenmenge zu reden, oder ob man sich gut
in Diskussionen einbringen und durchsetzen kann.? Je nach persönlicher
Neigung, so Basar, müsse man sich dann außerhalb des Studiums Angebote
suchen, in denen man in seinen Stärken gefördert wird und sich auch als Person weiterentwickelt.
Teamwork hinter der Kneipentheke
Von der Theatergruppe über Gesprächsrunden der Fachschaft und
parteipolitisches Engagement in Hochschulgruppen gibt es eine Vielzahl an
Möglichkeiten, in denen Juristen sich nicht nur in ihren Fähigkeiten
perfektionieren, sondern auch über den Rand der eigenen Fakultät
hinausblicken können. Denn der Leistungsdruck eines Jurastudiums bedeutet
keineswegs, dass man das gesamte Studentendasein im Hörsaal oder vor dem
heimischen Schreibtisch fristen muss. Im Gegenteil: ?Was im Beruf gefragt
ist, sind echte Persönlichkeiten und keine Stubenhocker?, glaubt Basar.
Deshalb sei eine weitere wertvolle Erfahrung, neben dem Studium einen Job
auszuüben. Dabei, so Basar, müsse gar nicht mal nur der finanzielle Aspekt
im Vordergrund stehen. ?Viel wesentlicher ist es, die Bodenhaftung zur
Realität zu bewahren und Erfahrungen zu sammeln.? Teamwork wird eben nicht
als Seminar im Rahmen des Studiums angeboten. Aber man kann es in
fachverwandten Jobs erlernen. Und nicht nur dort: Auch als Thekenkraft in
irgendeiner Kneipe lernt man wesentlich mehr Teamwork als in der
Unibibliothek, und nimmt so wertvolle Erfahrungen für die eigene Karriere
mit.
Von Michael Metzger