Würzburg, 18. September 2003

"Gewerbesteuer in Frage stellen, Hebesatzrecht einführen"

Frage: Für die Stadt Würzburg und ihre künftige Handlungsfähigkeit ist es jetzt die vorrangige Aufgabe, wieder finanziellen Spielraum zu gewinnen. Was kann nach Ihrer Meinung das Land Bayern noch dazu beitragen?

Moritz Kracht: Die Würzburger Situation ist nicht nur hausgemacht, auch der Freistaat muss hier einspringen: Gerade in Würzburg ist die Verstaatlichung der Schulen zu nennen, was bereits lange von vielen Seiten gefordert, aber nichts getan wird. Mit einem Hilfsprogramm muss den Kommunen unter die Arme gegriffen werden, der Freistaat muss umgehend die Schlüsselzuweisungen erhöhen und an einer Reform der Gemeindefinanzen konstruktiv mitarbeiten.

Schulpolitik ist Ländersache. Der Freistaat bestimmt die Richtung und gibt vor, was dem Schüler geboten werden muss. Sollte nicht für den gesamten Schulbereich gelten: "Wer bestimmt, zahlt auch?"

Kracht: Die FDP steht für das Konnexitätsprinzip, also dass die Ebene, die anschafft, auch bezahlt. Diese Regelung soll natürlich nicht auf den Schulbereich beschränkt werden, sondern grundsätzlich gelten. Darüber wird am 21. September auch neben den Wahlen abgestimmt. Bei allen Entscheidungen, die die Gemeinden betreffen, sollte der Städtetag, der Landkreistag beziehungsweise der Gemeindetag gehört werden.

Großstädte haben zentrale Funktionen, die weit über ihren Hoheitsbereich hinaus gehen und viel Geld kosten. Wird für den kommunalen Finanzausgleich genug getan?

Kracht: Nein, sicherlich nicht. Nürnberg und Würzburg sind prominente Opfer des mangelnden Ausgleichs. Um die jetzige Situation zu überwinden, bedarf es allerdings einer grundlegenden Reform der Finanzverfassung und der Finanzausstattung im gesamten Staatsaufbau. So ist zum Beispiel auch die Gewerbesteuer in Frage zu stellen, die für die Kommunen zu einer unkalkulierbaren Größe - wie in Würzburg geschehen - geworden ist. An ihre Stelle könnte ein Hebesatzrecht der Gemeinden auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer treten.

Kultur und Kleinkunst verlagern sich immer mehr auch aufs Land. Zentrale Einrichtungen wie das Mainfranken Theater haben es dadurch aber immer schwerer. Wie viel Kultur kann und muss man sich heute noch leisten?

Kracht: Der Nutzen von Kultur und Kleinkunst lässt sich nicht konkret messen, obwohl er unbestritten vorhanden ist. Deshalb kann man Kultur nicht unter dem reinen Blickwinkel der Ökonomie betrachten. Das Mainfranken Theater sollte in Würzburg erhalten werden. Der Freistaat sollte hier mit Zuschüssen einspringen, aber auch der Bezirk muss mit in die Verantwortung genommen werden. Zur Finanzierung muss aber auch die Möglichkeit des Sponsorings durch die Wirtschaft stärker genutzt werden.

Wo sehen Sie die Grenzen zwischen dem Politiker als Lokalpatrioten, der seinem Wähler verpflichtet ist, und der Notwendigkeit, im Interesse einer ganzen Volksgemeinschaft auch schmerzhafte Entscheidungen zu treffen?

Kracht: Ich sehe keinen Widerspruch. Als gebürtiger Würzburger liegen mir natürlich die Interessen meiner Heimatstadt am Herzen, aber ich will in den Landtag. Und da muss verantwortlich Politik für ganz Bayern gemacht werden. Es wäre doch nicht wünschenswert, wenn im Landtag jeder nur seine Pfründe retten will und die Gesamtheit hinten ansteht.

Die Fragen stellte Richard Wust


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